Iiro Rantala
18. Dezember 2012
Dienstag
Einlass 19:00
Beginn 20:00
Bislang war sein Name vor allem mit dem Trio Töykeät verbunden, einem der wildesten, witzigsten und visionärsten Klaviertrios der internationalen Jazzszene: Da lotete der finnische Pianist Iiro Rantala alle Möglichkeiten dieser klassischen Besetzung aus, mal als energiegeladener Tastenlöwe, mal als feinfühliger Romantiker, dann wieder als burlesker Spaßvogel. Sein Spiel sprengte zwar alle Stile und war ebenso kompromisslos wie zugleich unterhaltsam, doch wurde es stets von einem magischen Dreieck zusammengehalten: grenzenlose Technik, Sinn für Humor und untrüglicher Geschmack. Qualitäten, die sich Rantala bewahrt hat, auch nachdem er 2006 das Trio Töykeät aufgelöst hatte: „Meine Güte, wir haben das jetzt 18 Jahre lang gemacht und Tausende von Konzerten gespielt. Da wird es Zeit für eine Pause“, sagte er da, konzentrierte sich auf “Iiro at large”, seine bis heute laufende eigene Show im finnischen Fernsehen – und auf seine Solokarriere.
Die dürfte jetzt in Schwung kommen, reiht sich Rantala doch als neuer exklusiver ACT-Künstler mit “Lost Heroes” in die bemerkenswerte Riege der Pianisten des Labels ein. Alleine in den vergangenen beiden Jahren durch Ausnahmekünstler wie Vijay Iyer, Vladislav Sendecki, Danilo Rea, Gwilyn Simcock oder Yaron Herman verstärkt, kann inzwischen kein anderes Label einen größeren Pool kreativer Geister aufbieten, was Solo-Piano angeht. Selbst innerhalb dieser imposanten Familie aber sticht Rantalas Solo-Debüt heraus: Die Idee, auf “Lost Heroes” seinen musikalischen Vorbildern oder Geistesverwandten Kränze zu flechten, dürfte schon vom Ansatz her, vor allem aber in der Ausführung einmalig sein. “Ich habe bei einem Konzert in Köln einen Pekka Pohjola gewidmeten Song gespielt. Siggi Loch war dabei, kam hinterher zu mir und meinte: ‚Warum verfolgen wir diese Idee nicht weiter?’ Ich war sofort von seinem Vorschlag begeistert, denn seit langer Zeit war mir auch Esbjörn Svensson nicht aus dem Kopf gegangen und mein Wunsch, ihm ein Stück zu widmen. Beim weiteren Nachdenken hatten wir schnell meine Helden beisammen. Erroll Garner zum Beispiel war Siggi Lochs Vorschlag, Luciano Pavarotti meiner.”
Natürlich gehört Jean Sibelius, Finnlands Nationalheld der Klassik, zu den Auserwählten. Das Stück “Jean And Aino” zeigt prototypisch die unkonventionelle, immer überraschende und musikalisch bestechende Art und Weise, in der Rantala sich seinen persönlichen Helden nähert: Statt den Komponisten oder Musiker Sibelius stellt er den Ehemann in den Mittelpunkt und widmet der allen Schicksalsschläge trotzenden “wahren Liebesgeschichte” zwischen Jean und seiner Frau Aino eine anrührende Ballade. Nie begnügt sich Rantala mit dem für eine Hommage Naheliegenden, etwa einer schlichten Werkinterpretation. Stets findet er verblüffend stimmige Parallelen, Verweise oder Umwidmungen, etwa wenn er den anderen finnischen Klassiker Pekka Pohjola mit einem Erik-Satieartigen, in ein nördliches Licht getauchten und von Moll-Dur-Brechungen durchzogenen Stück perfekt charakterisiert. Genauso geschmackvoll und einfallsreich sind Rantalas Tributes an seine Helden des Jazz: Beim treibenden, ausschließlich in den tiefen Lagen gespielten und auf diese Weise wie ein E-Bass-Solo klingenden “Can’t Get Up” erinnert er an Jaco Pastorius, den ersten Jazzstar, den Rantala mit 13 live erlebte. In “Donna Lee” lässt er die seiner Zeit weit vorauseilende Technik Art Tatums, in “Blusette” die unvergleichliche Eleganz der “Vaterfigur” Oscar Peterson und bei “One More Waltz For Michel Petrucciani” dessen einmaliges Timing und das in jeder Note hörbare französische Element wieder aufleben. Bei “Thinking Of Misty” legt Rantala den Humor in Erroll Garners Spiel frei, “diese Kluft zwischen den fröhlichen Tagen des Swing und der Paranoia des Bebop”, wie es der Pianist formuliert. Seine ganze Bandbreite wird beim abschließenden “Intermezzo” deutlich, wenn der Opernliebhaber Rantala, sozusagen stellvertretend für alle großen Tenöre, Luciano Pavarotti ein bezaubernd wogendes Hochzeitslied widmet.