"lesen.hören 11" (2017)
unter der Programmleitung von Insa Wilke
„Als der polnische Dichter Zbigniew Herbert während des Krieges seine erste Bombar- dierung erlebte, lief er auf dem Weg in den Luftschutzkeller an einem Liebespaar vorbei, das sich auf der Treppe umarmte. Jahre später schrieb er darüber ein Gedicht. Dieses Liebespaar sei bis heute für ihn der schönste Widerspruch zur Gewalt, sagte er damals. Schönheit, Freundschaft und den Genuss setzt „lesen.hören 11“ gegen zerstörerische Gesinnungen und inhumane Interessen.“ Insa Wilke, Programmleiterin von „lesen.hören 11“
Das waren 17 Tage Literaturfest in der Alten Feuerwache vom 16.Februar bis 4.März 2017
Jedes Jahr im Februar und März wird Mannheim zur Literaturstadt! Die Alte Feuerwache öffnete 2017 zum elften Mal ihre Pforten für das Literaturfestival „lesen.hören“, das für sein gleichermaßen erwartungsvolles wie begeisterungsfähiges Publikum und die Metropolregion Rhein-Neckar nicht mehr wegzudenken ist. Seit der Etablierung von „lesen.hören“ anlässlich des 400jährigen Jubiläums der Stadt Mannheim im Jahr 2007 strömten insgesamt über 53.000 Literaturinteressierte in die Alte Feuerwache und die externen Spielstätten. Zu „lesen.hören 1“ kamen bei 15 Veranstaltungen knapp 3.000 Besucher, seitdem hat sich das Festival in vielerlei Hinsicht stetig gesteigert und knüpft an die Erfolge der Vorjahre an.
Die elfte Ausgabe von „lesen.hören“ musste erstmals ohne den im Vorjahr verstorbenen Roger Willemsen stattfinden, der das Literaturfestival über viele Jahre als engagierter Schirmherr und Programmleiter begleitet und geprägt hat. In seinem Namen öffneten die Alte Feuerwache und Programmleiterin Insa Wilke vom 16. Februar bis 4. März 2017 den Vorstellungsraum für die Literatur. „lesen.hören“ war und ist eine Einladung und Aufforderung zu literarischen Entdeckungen und Begegnungen, eine Orientierungshilfe im Labyrinth von Neuerscheinungen etablierter und Nachwunschautoren, und dabei immer eine anregende Mischung aus Unterhaltung und politischen Stellungnahmen.
ERWACHSENENPROGRAMM
Den Festivalauftakt bestritt Raoul Schrott, Erzählkünstler und Universalgenie, in einem gleichermaßen witzigen wie anektdotenreichen Vortrag über sein neuestes Werk „Erste Erde Epos“, indem er – leicht größenwahnsinnig – die Weltentstehung neu schreibt. Abschließend diskutierte er mit den beiden hochkarätigen Gesprächspartnern Nikolaus Schneider, Theologe und ehemaliger Ratsvorsitzender der evangelischen Kirche, und Petra Schwille, Biochemikerin und Direktorin des Instituts Max-Plank-Instituts.
Am ersten Festivalsamstag würdigten Freunde und Weggefährten bei „Herzenssachen“ den verstorbenen Schirmherrn und Programmleiter von „lesen.hören“, Roger Willemsen. Der Abend wurde von einem Bazar und einer Ausstellung des Afghanischen Frauenvereins begleitet, dessen engagierter Schirmherr Roger Willemsen ebenfalls war. Das erste Festivalwochenende schloss mit einer Doppelveranstaltung über Stefan Zweig und seine Zeit im Exil: Nachmittags zeigte das Atlantis-Kino „Vor der Morgenröte“. Am Abend ermöglichten die Regisseurin Maria Schrader und der Drehbuchautor Jan Schomburg in einem kurzweiligen Filmgespräch eine exklusiven Einblick in ihre aktuelle wie anrührende Arbeit über den österreichischen Pazifisten und Humanisten.
Die gefeierte ehemalige Burg-Schauspielerin Erika Pluhar stellte zu Wochenbeginn in einem mitreißenden Vortrag in gewohnt charmanter Manier und im Gespräch mit Marion Brasch ihr neues Buch „Gegenüber“ vor, welches die Geschichte zweier unterschiedlicher Frauen erzählt und sich dabei mit dem Altwerden und dem Tod auseinandersetzt. Mit ihrem reportagenhaften Buch „Rotlicht“ vermochte die junge Autorin Nora Bossong einen weiblichen Blick auf das Rotlicht-Milieu zu werfen und damit eine Diskussion anzustoßen über die Gleichberechtigung in dieser so von Männern dominierten Branche.
Die Berliner Lesebühnen-Autoren Kirsten Fuchs und Jochen Schmidt feierten bei ihrem gemeinsamen Abend mit zahlreichen Kurzgeschichten und Spontan-Beiträgen – gewollt oder ungewollt – die Komik. Deutschlands derzeit namhaftester Lyriker Durs Grünbein sprach mit Insa Wilke über „Die Jahre im Zoo“. Lesung und Gespräch im Mannheimer Planetarium, dem wohl atmosphärischsten Ort Mannheims, ermöglichten ein noch intensiveres Nachempfinden seiner Kindheit in Dresden, die Grünbein in „Die Jahre im Zoo“ beschreibt.
Nina Hagen entfachte mit ihrem ganz persönlichen Abend „Nina Hagen meets BB. Ein Lieder-Abend zur Klampfe“ wahre Begeisterungsstürme vor und hinter der Bühne, die Kommentare der Zeitungen betitelten die Veranstaltung mit „episches Theater“ und „Naturereignis“. Eine inspirierende und faszinierende Frau und ein Abend, gänzlich durchdrungen von der literarischen Vision Brechts – was will man mehr bei „lesen.hören“?
Der „Zufallsabend“ erforderte von allen Beteiligten – Autoren, Zuschauern und Veranstaltern – ein gewisses Maß an Risikobereitschaft und Neugier. Blieb es doch dem Zufall überlassen, welche(n) der anwesenden AutorInnen Selja Ahava, Jonas Lüscher oder Anne Weber das Publikum in welchem der drei unterschiedlichen Spielstätten innerhalb der Alten Feuerwache zu Gesicht bekam. Als Belohnung gab es eine unmittelbare, intime Begegnung mit den Autoren im Rahmen eines herrlich unvorhersehbaren Abends in der festgefügten Firewall unserer abgesicherten Existenz.
Rhythmus und Melodien konnten die Zuhörer in Tomer Gardis musikalisch vorgetragenem „Broken German“ entdecken. Der israelische Autor stellte im Gespräch mit Jenny Friedrich- Freksa sein erstes in deutscher Sprache geschriebenes Buch vor, welches sowohl einen neuen Sound als auch eine neue Perspektive auf den Umgang und die kontemporäre Entwicklung von Sprache mit sich bringt. Das Publikum dankte dies mit einer regen Teilnahme an der offenen Gesprächsrunde im Anschluss an die Lesung.
Improvisierte Kurzvorträge und Poesie als Mittel der Erkenntnis – die Lyrikerin und Expertin für Tierrecht Mara-Daria Cojocaru sowie gleich vier Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen gestalteten einen experimentellen Abend zum Thema Tierrecht. Roman Ehrlich stellte in einer Vorpremiere sein auf stille Weise sensationelles Buch „Die fürchterlichen Tage des schrecklichen Grauens“ vor. Mit der Moderatorin Maike Albath unterhielt sich der vielversprechende Nachwuchsautor in einer wunderbar ausdrucksstarken Sprache über den Dreh eines Horrorfilms und extreme Gefühle.
„Schlafen werden wir später“ heißt der langersehnte, brandneue Roman von Zsuzsa Bánk, in dem die Autorin die ausverkaufte Feuerwache am Briefwechsel zweier unterschiedlicher Freundinnen teilhaben ließ. Im Gespräch mit Hubert Winkels (FAZ) gewährte Zsuzsa Bánk tiefe Einblicke in die Arbeitsweise und Entstehungsgeschichte des Romans.
Mit einer unterhaltsamen „Keilerei zweier Sprachgiganten“ endete „lesen.hören 11“ am 4. März 2017 in der Mannheimer Christuskirche. In einem rauen und raunenden Vortrag schickte der türkischstämmige Schriftsteller Feridun Zaimoglu das Publikum auf eine sprachgewaltige Reise zu den Worten Luthers. Der prominente Literaturkritiker Denis Scheck stellte gleichermaßen sachkundige literarische wie politische Fragen, so dass das gemeinsame Gespräch schließlich vom revolutionären Reformator Martin Luther bis hin zu den aktuellsten deutsch-türkischen Verwicklungen reichte. Mit verjazzten Lutherchorälen an der Marcussen-Orgel umrahmte Christuskirchen-Kantor Johannes Michel den Abschlussabend.
Hier gelangen Sie zu den Programmheften von „lesen.hören 1“, „lesen.hören 2“, „lesen.hören 3“, „lesen.hören 4“, „lesen.hören 5“, „lesen.hören 6“, „lesen.hören 7“, „lesen.hören 8“, „lesen.hören 9“, „lesen.hören 10“, „lesen.hören 11″ und „lesen.hören 12″.
LITERATUR FÜR KINDER UND JUGENDLICHE
2009 wurde „lesen.hören“ mit „Autoren lesen für Kinder“ erfolgreich erweitert. Auch in diesem Jahr entstand das Kinder- und Jugendprogramms in hervorragender Zusammenarbeit mit der Stadtbibliothek Mannheim. Das Angebot für Jugendliche und Kinder vom Vorschulalter bis zu weiterführenden Schulen umfasste insgesamt 12 Lesungen zu den unterschiedlichsten Themen, von
denen eine leider abgesagt werden musste. Zu einer Lesung wurde aufgrund der hohen Nachfrage eine Zusatzlesung ermöglicht.
Folgende Autoren waren beim Kinder- und Jugendprogramm von „lesen.hören 11“ zu Gast: Sarah aus dem Ahoiii-Team, Sabine Bohlmann, Alexandra Fischer-Hunold, Kristina Andres, Stefanie Harjes, Christian Humberg & Bernd Perplies, Kai Pannen, Kirste Fuchs, Eymard Toledo, Franziska Gehm und HumBroSis.
An den Wochenenden lud die Alte Feuerwache traditionsgemäß zu den bei Groß und Klein beliebten Familienveranstaltungen ein. Hier spielten die Green Rainjackets mit dem „Reggaehase Boooo und die rosa Monsterkrabbe“ ein Reggae-Konzert über den zweiten Teil Ihrer Kinderbuchreihe „Reggaehase Boooo“. Herr Hering, die liebe Frau Gerburg und die Jazzband präsentierten ihr turbulentes Musik-theatherstück „Jazz für Kinder“ und beantworteten viele spannende Fragen über Musik und die Instrumente.
DANKE
Wir schätzen uns glücklich, über die Jahre ein so treues, neugieriges und offenes Publikum gewonnen zu haben, das mit Begeisterung und großem Interesse an den Veranstaltungen teilgenommen hat, mit uns in die Stadt in die externen Spielstätten gezogen ist und die Freude an diesem Literaturfestival mit uns teilt. Wir danken allen Besuchern von „lesen.hören“ einmal mehr für die von Grund auf positive Resonanz.
Ein besonderer Dank gilt auch der Presse, die uns durch ihre zahlreichen Vorankündigungen und Nachberichterstattungen ausdauernd begleitet und großartig unterstützt hat, allen voran unsere Festivalbloggerin Isabella Caldart von novellieren.com. Wir danken den externen Spielstätten für die Gastfreundschaft und die gute Zusammenarbeit. Diese sind: Atlantis-Kino, Planetarium, Christuskirche Mannheim, Jugendkulturzentrum FORUM sowie die Stadtbibliothek Mannheim Zweigstelle Dalberghaus.
Schließlich möchten wir uns bei unseren Unterstützern und Förderern bedanken: Dem Kulturamt der Stadt Mannheim, dem Land Baden- Württemberg, der GBG-Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft, dem Land Baden- Württemberg, Kristo Novo, stadtmobil, dem Dorint Kongresshotel Hotel, der BKK Pfalz und ganz besonders der Firma SIGNUM Communication für das tolle Erscheinungsbild von „lesen.hören“ und die gute Zusammenarbeit, die nach zehn erfolgreichen Jahren endet. Außerdem gilt unser Dank Bücher Bender, Word UP! Poetry Slam (22.02.) und Science Slam (28.02.).
NOTES
Einer hat uns dieses Jahr allen gefehlt, unser Freund und Schirmherr Roger Willemsen, der dieses Festival so sehr geprägt hat und uns vor und hinter der Bühne viele Jahre freundschaftlich begleitet und begeistert hat. Obwohl er nicht mehr selbst anwesend sein kann, fühlen wir uns beschirmt durch das unendliche Maß an Herzblut und Enthusiasmus, Humor und Neugier, das er in „lesen.hören“ gesteckt hat und das uns nach wie vor dazu antreibt, unser Literaturfest mit offenen Herzen, Haltung und Mut weiter zu führen. Wir
sind überglücklich und dankbar, mit Insa Wilke eine Programmleiterin an unserer Seite zu haben, die besser nicht sein könnte, um „lesen.hören“ in Roger Willemsens Sinne fortzusetzen.
2018 – „LESEN.HÖREN 12“
„lesen.hören 12“ findet unter der Programmleitung von Insa Wilke vom 23. Februar bis 11. März 2018 statt. Das Programm wird Anfang Dezember 2017 veröffentlicht, dann beginnt auch der Vorverkauf.
KONTAKT
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